Die homöopathische Behandlung von Verbrennungen

 

Cantharis, die "spanische Fliege", ist ein rund ums Mittelmeer verbreiteter Käfer aus der Familie der Ölkäfer – und damit keine Fliege, wie der deutsche Name vermuten lässt. Die Insekten enthalten das Reizgift Cantharidin, welches bei Hautkontakt Blasen und Nekrosen (Absterben des Gewebes) verursacht.

 

Für das ungiftige potenzierte Arzneimittel Cantharis gibt es somit eine wichtige Indikationen, die sich gemäß der Ähnlichkeitsregel unmittelbar aus der beschriebenen Cantharidin-Wirkung ableitet: Verbrennungen und Verbrühungen.

 

Die typischen Haut-Symptome von Cantharis sind starke brennende Schmerzen mit Blasen-Bildung, begleitet von großer Ruhelosigkeit und brennendem Durst. Sowohl die Haut als auch das Gemüt sind äußerst gereizt. Aufgrund der großen Ähnlichkeit zu Verbrennungen und Verbrühungen kann man Cantharis geradezu als Spezifikum für die homöopathische Behandlung von Verbrennungen betrachten. Der erfahrene indische Arzt Dr. V. Krishnamurthy gibt an, dass Cantharis bei  Verbrennungen in 95% der Fälle das angezeigte Mittel sei. So einfach ist die Mittelwahl in der Homöopathie nur sehr selten.

 

Die frühzeitige Gabe von Cantharis C12 oder C30 nach einer Verbrennung oder Verbrühung kann in vielen Fällen die Blasenbildung verhindern. Die Wirkung des Mittels bemerkt man zuerst am Nachlassen der Schmerzen und der Ruhelosigkeit.

 

Sind mehr als 10% (beim Kind 5%) der Hautoberfläche von einer zweitgradigen (oder schwereren) Verbrennung betroffen, droht ein Schock (Kreislaufzusammenbruch). In diesen Fällen muss der Betroffene umgehend notfallmedizinisch versorgt werden. (10% entsprechen in etwa der Hautfläche eines Armes.)

 

Wir verabreichen das Mittel innerlich; nicht lokal als Kompresse. Das Arzneimittel soll die Lebenskraft umstimmen und damit die Selbstheilung stimulieren; nicht die Haut reparieren – das macht der Körper dann selbst. Im Falle einer Verbrennung empfiehlt sich ein Wasserglas (ca. 200 ml) mit fünf Globuli Cantharis C12 (oder C30) darin aufgelöst. Davon bekommt der Patient während der ersten halben Stunde alle zwei bis drei Minuten einen kleinen Schluck, die nächste Stunde lang alle fünf bis zehn Minuten und in den folgenden vier bis sechs Stunden circa alle dreißig Minuten. Danach wird die Gabe nur noch wiederholt, wenn die Schmerzen wieder stärker werden. Vor jedem Schluck sollte die Lösung kräftig verrührt oder geschüttelt (z.B. in einem sauberen Marmeladenglas) werden.

 

Wenn Cantharis C12 die Schmerzen zwar lindert, aber die Wirkung nicht lange anhält, ist es ratsam, auf die Potenz C30 zu wechseln. Die Gaben sollten nicht länger als zwei Tage nötig sein, und am zweiten Tag bereits in deutlich größeren Abständen. Wenn unter dem Mittel innerhalb eines Tages überhaupt keine Schmerzlinderung eintritt, sollte man es nicht weiter nehmen. Dann ist eine andere Arznei angezeigt. Bei Überdosierung (d.h. in der Homöopathie: bei zu häufiger Verabreichung) kann es zu einer Reizung der Harnwege kommen, im Sinne einer (unfreiwilligen) homöopathischen Arzneimittelprüfung (nachzulesen unter dem Menüpunkt "Homöopathie"). Das habe ich schon am eigenen Leib erfahren. Nach Absetzen des Mittels erledigt sich die Harnwegssymptomatik binnen kurzer Zeit ohne weitere Maßnahmen.

 

 

 

Die äußerliche Behandlung von Verbrennungen

 

Auch bei der äußerlichen Behandlung von Verbrennungen und Verbrühungen kann man sich das homöopathische Prinzip zunutze machen. Da Ähnliches durch Ähnliches geheilt wird, macht es Sinn, eine Verbrennung mit Wärme zu behandeln, und nicht mit Kälte. Zu dieser Thematik schrieb Hahnemann 1816 im „Allgemeinen Anzeiger des Deutschen Reiches“: „…ist es schon durch leicht zu wiederholende Erfahrungen entschieden, dass gerade das Gegenteil von kaltem Wasser die Verbrennungen am schnellsten heilt.“ Und weiter: „Leichte Verbrennungen heilen ohne aufgelegte Mittel binnen 24 bis 48 Stunden – etwas später aber, wenn man kaltes Wasser zur anfänglichen Linderung nimmt.“

 

Anschließend berichtet er von zwei Berufsgruppen, die häufig solche Verletzungen zu versorgen haben: Ein Koch hält die verbrühte Stelle in die Nähe der Kohlenglut, „dass der Brennschmerz anfänglich dadurch erhöht wird, und hält sie eine Weile in dieser Nähe, nämlich so lange, bis der Brandschmerz in dieser hohen Wärme sich ansehnlich wieder vermindert und fast gänzlich verschwindet; da, weiß er, erhebt sich die Haut nicht einmal zu einer Wasserblase, geschweige dass Eiterung folgen sollte, vielmehr ist oft in einer Viertelstunde bei dieser Annäherung an Kohlenhitze selbst die Röte der verbrannten Stelle nebst dem Schmerz verschwunden; er ist auf einmal geheilt, schnell und ohne Nachwehen, obgleich durch ein anfangs unangenehmes Mittel. […]

 

Die Lackierer, welche mit siedendem Leinöl zu tun haben, wissen aus Erfahrung, dass sie die stärksten Verbrennungen auf keine Weise in der Welt schneller und dauerhafter heilen und sich schmerzfrei machen können, als durch Befeuchtung mit dem besten Weingeist oder Terpentinöl, welche doch auf empfindlicher Haut einen wie Feuer brennenden Schmerz verursachen, bei Hautverbrennungen aber als die unvergleichlichsten Heilmittel wirken.“

 

Hahnemann hat diese beiden Erfahrungen kombiniert und empfiehlt die Anwendung von Kompressen, die ständig mit warmem Alkohol befeuchtet werden sollen. Aufgrund der Feuer- und sogar Explosionsgefahr durch verdunstenden Alkohol muss heute von dieser Behandlung abgeraten werden. Es hat sich aber eine andere Lösung gefunden, die brennende Schmerzen auslösen und damit auch heilen kann: gewöhnlicher Speiseessig (keine Essig-Essenz!). Dieser kann als Kompresse aufgelegt oder mittels Sprühflasche aufgetragen werden.

 

Auch die Annäherung der verletzten Stelle an eine Wärmequelle oder das Spülen mit ca. 40°C warmem Wasser sind in den meisten Fällen praktikabel und sehr viel besser als das immer noch propagierte initiale Kühlen – auch wenn man dafür die Zähne zusammenbeißen muss. Für Kinder taugt der Essig am ehesten.

 

Als ich das zum ersten Mal hörte, reagierte ich völlig ungläubig und erklärte meinen Lehrer im Stillen für verrückt. Dann ergab sich aber bald eine Gelegenheit, die homöopathische Behandlung einer Verbrühung mit Wärme an mir selbst zu versuchen: Ich hatte mir versehentlich kochendes Wasser über den Arm geschüttet. Die Schmerzen waren sehr stark; und dennoch drehte ich warmes Wasser auf; so warm, dass es der gesunden Hand gerade noch erträglich war. Dann biss ich die Zähne zusammen und ließ das (sehr) warme Wasser minutenlang über den verbrühten Arm laufen – bis die schier untertäglich gewordenen Schmerzen schließlich tatsächlich nachließen. Es haben sich in der Folge keine Blasen gebildet, und die Heilung verlief zügig und ohne Komplikationen oder Narben.

 

Seitdem habe ich schon von erstaunlich vielen Menschen gehört, dass sie bereits gute Erfahrungen mit Wärme oder Essig gemacht haben. (Erstaunlich viele in Anbetracht der Tatsache, dass die offizielle Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin immer noch „zimmerwarmes“ Wasser ist – wie man beim Erste-Hilfe-Kurs lernt.)

 

Hahnemann war nicht der Erste, der sich dieser Thematik angenommen hat. Er zitiert in seinem Artikel sehr ausführlich mehrere Ärzte mit ähnlichen Erfahrungen, z.B. den damals bekannten englischen Wundarzt Dr. Benjamin Bell, der Terpentinöl  mit großem Erfolg verwendete. Das allerwichtigste Fazit aus diesen Berichten ist: unbedingter Verzicht auf kaltes oder kühles Wasser zur Linderung, denn dadurch wird der Heilungsverlauf in allen Fällen (leichte bis schwerste Verbrennungen) kompliziert und verzögert. Den ganzen, sehr eindringlichen und anschaulichen Artikel kann man kostenfrei online nachlesen in Hahnemann´s „Kleine medicinische Schriften“ (bei Google-Books als Faksimile in altdeutscher Schrift, ab S. 176).

 

Ab dem zweiten Tag lege ich Aloe-„Filets“ (geschälte Blätter der Aloe vera) auf Brandverletzungen - wenn es dann noch nötig ist. Das ist nicht nur wohltuend, sondern befördert auch die Wundheilung ungemein. Aloe vera äußerlich ist auch das Mittel der Wahl, wenn aus Unwissen doch zuerst gekühlt wurde und die Schmerzen danach lange anhalten.