Die Brechwurzel - Ipecacuanha

Ipecacuanha – die Brechwurzel ist ein südamerikanischer Strauch (v.a. in Brasilien verbreitet) aus der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae – Weitere bekannte Vertreter dieser großen Pflanzenfamilie sind u.a. der Kaffee-Strauch, das Färber-Krapp, der Maulbeerbaum und der Waldmeister). Wie der Name „Brechwurzel“ verrät, kann die Wurzel dieser Pflanze Erbrechen auslösen, und so wurde sie auch in Europa bereits im 17. Jahrhundert als Brechmittel eingesetzt. Auch bei Durchfallerkrankungen und als Expektorans (Mittel zum Abhusten) kam sie zum Einsatz. Ipecacuanha ist in stofflichen Dosen (also nicht potenziert) sehr giftig und kann zu blutigen Durchfällen und Krämpfen führen – bis hin zum Schock. Deshalb sind die Droge und die Potenzen der Brechwurzel bis D3 verschreibungspflichtig. Die üblicherweise zur Selbstbehandlung eingesetzten Potenzen D12, C12 und C30 sind aufgrund der großen Verdünnung nicht giftig, nicht verschreibungspflichtig und bei sachgemäßer Anwendung frei von schädlichen Nebenwirkungen.

 

Das Hauptanwendungsgebiet von Ipecacuanha in der homöopathischen Hausapotheke ist schreckliche Übelkeit, die durch Erbrechen nicht gelindert wird, d.h.: man fühlt sich nach dem Erbrechen immernoch genauso elend. Auffallend dabei ist die reine oder rote Zunge. Wenn die Zunge belegt ist oder Erbrechen die Übelkeit lindert, ist Ipecacuanha nicht das passende Heilmittel. Der Patient verspürt in diesem Zustand eine ausgesprochene Abneigung gegen jedwede Nahrung und hat keinen Durst. Die schier unerträgliche Übelkeit kann alle möglichen Erkrankungen begleiten, z.B. Migräne oder Bronchitis, sowie während der Menstruation oder nach einer Narkose auftreten. Häufig ist der Auslöser aber einfach zu reichliches Essen oder Durcheinanderessen, insbesondere nach Fleisch oder Eiscreme, also der sprichwörtliche „verdorbene Magen“.

 

Bei der „Reisekrankheit“ beim Fahren im Auto, Bus oder auf einem Schiff kann es sich um die typische Ipecacuanha-Übelkeit handeln. Andere infrage kommende Mittel hierfür sind Nux-vomica (für welches der erfolglose Drang sich zu übergeben wahlanzeigend ist), Cocculus (Übelkeit mit heftigem Schwindel und Schwäche, bereits beim Anblick bewegter Gegenstände, dabei Ekel vor Speisen), Tabacum (wenn man meint, vor Übelkeit sterben zu müssen, dabei blass oder gelb bis grünlich im Gesicht ist und beim Schließen der Augen Besserung erfährt) oder Petroleum (wenn der Patient trotz Übelkeit Verlangen nach Nahrung hat).

 

Für Schwangerschaftsübelkeit kann Ipecacuanha das passende Heilmittel sein, wenn die Leit-Symptome passen (reine Zunge, keine Linderung nach Erbrechen). Bei (morgendlicher) Übelkeit in der Schwangerschaft kommen viele weitere Mittel in Frage, z.B. Sepia, Pulsatilla oder Nux-vomica. Aber auch mit der Bachblüte „Walnut“ habe ich hier schon gute Erfolge erzielt. In der Schwangerschaft sollte Frau besonders vorsichtig mit der Selbstbehandlung sein und keinesfalls ein homöopathisches Arzneimittel in wiederholten Gaben über einen längeren Zeitraum anwenden oder gar mehrere Mittel ständig abwechseln, da dadurch die Gefahr für eine Fehlgeburt steigen kann, insbesondere durch Überdosierung von Pulsatilla oder Sepia. Bei anhaltenden Beschwerden über eine Woche sollte ein erfahrener homöopathischer Arzt oder Heilpraktiker konsultiert werden.

 

Ipecacuanha kann bei krampfartigen und schneidenden Bauchschmerzen insbesondere in der Nabel-Gegend eingesetzt werden, v.a., wenn diese von Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. Das kann z.B. bei einer Gallenkolik der Fall sein. Hier verschlimmert charakteristischer Weise jede geringste Bewegung die Schmerzen. Der Patient ist bemüht, eine völlig reglose Haltung einzunehmen.

 

Wenn es bei einer gastrointestinalen Erkrankung („Lebensmittelvergiftung“, „Magen-Darm-Grippe“) zu Durchfall kommt, kann Ipecacuanha die Heilung befördern, wenn der Stuhl reichlich, schaumig und schleimig ist. Die Farbe kann von braun über gelb bis grün reichen. Der typische Ipecacuanha-Durchfall tritt vor allem im Sommer oder Herbst auf und ist von schneidenden Schmerzen begleitet. Erbrechen und Durchfall wechseln sich ab.

 

Die Menstruationsbeschwerden, bei denen Ipecacuanha helfen kann, sind krampfartig, gehen mit einer starken hellroten Blutung einher und sind charakterisiert durch schneidende Schmerzen im Uterus, sowie die begleitende Übelkeit. Wenn jede Menstruation mit starken Beschwerden einhergeht, ist eine konstitutionelle Behandlung angezeigt.

 

Generell sind reichliche hellrote Blutungen typisch für das Arzneimittelbild von Ipecacuanha – egal, ob es sich dabei um Nasenbluten, die Menstruation, Nachblutungen nach der Geburt, Bluthusten, blutigen Urin oder Stuhl oder blutiges Erbrechen handelt. Da sich hinter all diesen Symptomen ernsthafte Erkrankungen verbergen können und der Blutverlust schnell lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann, eignen sich diese Beschwerden nicht zur Selbstbehandlung und gehören sofort ärztlich abgeklärt. Einzig beim Nasenbluten und bei Menstruationsbeschwerden kann zunächst eine Selbstbehandlung erwogen werden. Andere gute Blutungsmittel, die es zu differenzieren gilt, sind v.a. Phosphorus und Millefolium (hellrote arterielle Blutungen wie Ipecacuanha), Hamamelis (dunkle, venöse Blutungen) und Sabina (helles Blut mit Klumpen).

 

Wenn ein Husten von reichlicher Schleimansammlung in der Brust mit hörbarem Schleimrasseln begleitet ist, der Schleim aber nicht abgehustet werden kann, kann Ipecacuanha Linderung verschaffen. Dieser typische Husten kann unaufhörlich und erstickend sein; der Patient leidet unter Atemnot und schnappt nach Luft. Schließlich kommt es zum Würgen und/oder Erbrechen. Bei Asthma, Verdacht auf Pneumonie (Lungenentzündung), sowie Keuchhusten muss von einer Selbstbehandlung abgesehen werden.

 

Da es sich bei Migräne aus homöopathischer Sicht um ein konstitutionelles Geschehen handelt, besteht wenig Hoffnung auf dauerhafte Heilung mit einer rein symptomatischen Verschreibung. Zudem kommen sehr viele verschiedene Mittel infrage. Nichts destotrotz kann im akuten Anfall eine Linderung mithilfe der homöopathischen Hausapotheke versucht werden. Wenn der Kopfschmerz sich wie zermalmt oder zerschlagen anfühlt und nach unten erstreckt zur Zungenwurzel, ansonsten eher im Hinterkopf lokalisiert ist, ist Ipecacuanha einen Versuch wert. Weitere wahlanzeigende Symptome sind die typische Übelkeit – wobei Erbrechen weder die Übelkeit, noch den Kopfschmerz lindert, sondern eher noch verschlimmert – sowie reichlicher Tränenfluss.

 

Bei Fieber kann Ipecacuanha helfen, wenn dem Hitze-Stadium ein kurzer Frost vorausgegangen ist, wenn sich Frost und Hitze häufig abwechseln, wenn sich der Patient bei innerem Frostgefühl äußerlich bereits heiß anfühlt, wenn die Hitze lange anhält und der Patient dabei keinen Durst hat. Ein weiteres auffallendes Symptom, dass auf Ipecacuanha hinweisen kann, ist eine warme Hand, während die andere kalt ist. Dem Hitze-Stadium folgt reichlich kalter Schweiß, so stark, dass er von Händen und Füßen tröpfeln kann. Alle Stadien werden von heftiger Übelkeit begleitet.

 

Bei allen Erkrankungen, die Ipecacuanha als Heilmittel erfordern, ist der Patient ungeduldig, reizbar und übellaunig. Wenn es sich um ein Kind handelt, dann weint und schreit es und ist schwer zufriedenzustellen. Der Kranke ist voller Verlangen, weiß jedoch nicht, was er eigentlich genau will. Hier könnte man auch an Chamomilla denken.

 

Das Gesicht ist blass mit blauen Ringen um die Augen. Die Lippen können ebenfalls blau sein, vor allem beim Husten. Häufig sind eine Wange und/oder ein Ohr rot und heiß, während die andere Seite blass und vergleichsweise kühl erscheint. Auch diese einseitige Wangenröte ist als typisches Chamomilla-Symptom (besonders beim Zahnen) bekannt.

 

Letztendlich kann man Ipecacuanha aber kaum verwechseln, wenn man sich an die Leitsymptome hält, und davon nicht nur eines berücksichtigt. Hier noch einmal eine Zusammenfassung:

  • anhaltende Übelkeit
  • unstillbares Erbrechen
  • Erbrechen bessert die Übelkeit nicht
  • saubere, rote Zunge
  • kein Durst
  • krampfartige Schmerzen
  • schneidende Schmerzen
  • Schmerz schlechter bei Bewegung
  • hellrote Blutung
  • erstickender Husten

Fast jede Erkrankung, die nach Ipecacuanha als Arznei verlangt, wird von Übelkeit und Erbrechen begleitet.